Definition "Schrittgeschwindigkeit" im Verkehr
In der öffentlichen Wahrnehmung scheinen in Lüdenscheid noch Irritationen hinsichtlich des erlaubten Tempos für Radfahrende in der nun zeitbegrenzt freigegebenen Wilhelmstraße zu bestehen.
Der Fahrradclub weist darauf hin, dass er keine Position für E-Scooter-Fahrende vertritt. Diese dürfen ohnehin nach wie vor zu keiner Zeit die Fußgängerzone befahren.
Die Definition einer Schrittgeschwindigkeit ist in der StVO nicht genannt. Es gibt jedoch richterliche Rechtsprechungen. Der ADFC beruft sich auf das Oberlandesgericht Hamm vom 25.11.2019.
Dieses urteilt,
dass ein Verstoß gegen das Gebot der Schrittgeschwindigkeit allenfalls erst bei Überschreitung des Wertes von 10 km/h zur Last gelegt werden kann, solange keine verbindliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eine entsprechende gesetzliche Klarstellung vorliegt.
Auf das Hammer Urteil wird auch in einem Leitfaden der früheren thüringischen Landesregierung unter Förderung des Bundesverkehrsministeriums verwiesen. In dem „Planungsleitfaden zur Öffnung von Fußgängerzonen für den Radverkehr“ wird ferner zwischen subjektivem Empfinden einer Gefährdung und der tatsächlichen Gefahrenlagen unterschieden. In der dort zitierten Untersuchung zeigt sich, dass Radfahrende die Geschwindigkeit bei hoher Fußgängerfrequenz selbst reduzieren. Bei hohem Fußgängeraufkommen sinkt auch die Zahl der Überholvorgänge: „Im Ergebnis bedeutet dies, dass potenziell konfliktbehaftetes Verhalten der Radfahrer nicht mit der Passantenzahl zunimmt.“ Dies ist absolut nachvollziehbar, weil sich Radfahrende nicht selbst durch einen Unfall oder Zusammenstoß gefährden möchten. Die objektive Sicherheit wird in der Broschüre mit Bezug auf die Unfallstatistik als hoch eingeordnet, obwohl die subjektive Wahrnehmung häufig kritischer gesehen wird.
Im Übrigen differenziert der Gesetzgeber nicht zwischen Schrittgeschwindigkeit in Fußgängerzonen und Verkehrsberuhigten Zonen. Wer also selbst eigene Tempo-Maßstäbe setzt, sollte diese konsequenterweise auch als Autofahrer in den Verkehrsberuhten Zonen beherzigen.
Der ADFC Lüdenscheid wandte sich mit dieser lokalen Fragestellung an den Vereinsjuristen des ADFC.
Roland Huhn, Referent Recht in der ADFC-Bundesgeschäftsstelle in Berlin, zitiert die amtliche Begründung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung aus dem Jahr 2020: „Das Bundesverkehrsministerium hat für die Höhe der Schrittgeschwindigkeit auf Vorgaben der Rechtsprechung verwiesen und versteht darunter eine Geschwindigkeit in Höhe von 4 bis 7 km/h, maximal jedoch 10 km/h. 10 km/h in einer Fußgängerzone liegen bei freier Fahrt noch im erlaubten Bereich.
Der ADFC freut sich über einen realisierten Schritt zur Mobilitätwende und den Weg zur klimafreundlichen Kommune durch die Stadt Lüdenscheid. Nur durch respektvolles Miteinander und dem Einhalten gültiger Regeln ist sicherer Verkehr möglich.
Wer Strecken sperren möchte, weil einige Verkehrsteilnehmer Regeln missachten, sollte auch an den gesetzlichen Mindest-Überholabstand von innerorts 1,50 Metern zu Radelnden denken. Im Umkehrschluss fordert der Fahrradclub keinesfalls, ganze Straßenzüge zu sperren, weil die Missachtung der Überholregeln durch zahlreiche KFZ leider tägliche Praxis ist und Radelnde gefährdet.
Als Perspektivwechsel rät der ADFC einmal per Fahrrad über die vierspurige Sauerfelder Straße zu fahren, um die Position des ADFC zur Wilhelmstraße besser verstehen zu können. Fußgängerzonen sind vielerorts außerhalb der Stoßzeiten für den Radverkehr freigegben; selbst auch in der belebten Kölner Schildergasse. Routinierte Radler erleben regelmäßig, wie gut dieses System in anderen Kommunen funktioniert. Warum sollte uns dies in Lüdenscheid nicht gelingen? Sobald ein Radweg entlang des Sauerfelds existiert, wäre die Fahrrad-Freigabe in der Fußgängerzone nur noch nebensächlich. Für einen konstruktiven Dialog ist der ADFC Lüdenscheid gerne bereit. Dies ist beispielsweise bei den monatlichen Ortsgrupppentreffen möglich, zu denen auch Nichtmitglieder willkommen sind.